Katzen gehen gerne auf Entdeckungstour, ein gekipptes Fenster kommt da gerade recht. Das es zur tödlichen Falle werden kann, merkt die Katze erst viel zu spät! Sie steckt im Fensterspalt fest und beim Versuch sich zu befreien rutsch sie dabei immer tiefer. Dabei werden die Organe und auch die Hauptschlagader (Bauchaorta) gequetscht und die Durchblutung der Hinterbeine unterbrochen. Es kommt zu einer Ischämie (Minderdurchblutung) in deren Folge Muskeln und Nerven nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Im Gegenzug können die entstandenen Abfallprodukte der Zellen aber auch nicht mehr entsorgt werden. Es entsteht eine Übersäuerung, einer sogenannten Acidose der Muskulatur, die äußerst schmerzhaft ist. Im weiteren Verlauf kann es sogar zum Absterben der Muskelzellen und zur Schädigung der Nerven kommen. Es entsteht eine „ischämische Neuropathie“. Das bedeutet, dass die Hintergliedmaßen und auch die Rute eine schlaffe Lähmung zeigen. Zusätzlich können die Schleimhäute von Darm und Harnblase geschädigt werden. Auch die Funktion der Harnleiter kann beeinträchtigt werden. Die Bauchwand kann so stark gequetscht sein, dass eine Fettgewebsnekrose (absterben der Zellen) entsteht. Nicht zuletzt verletzten sich die Tiere teilweise auch an der Wirbelsäule selbst.

Aber die Katze aus dieser Situation zu befreien bedeutet nicht gleichzeitig, dass keine Gefahr mehr besteht! Die Katze sollte im Anschluss schnellstmöglich zum Tierarzt gebracht werden. Idealerweise meldet man sich als Notfall vorher an. So kann alles schon passend hergerichtet werden und es vergeht keine unnötige Zeit. Meistens kommen die Tiere schon im lebensbedrohlichen Schock an. Die Schleimhäute sind blass, die Herzfrequenz erhöht und die Katzen haben oft auch Untertemperatur. Die Hintergliedmaßen und der Schwanz sind meist gelähmt, die Muskulatur verhärtet und hochgradig schmerzhaft. Häufig ist kein Puls mehr in den Hintergliedmaßen tastbar und die Gliedmaßen selbst fühlen sich kalt an. Die Reflexe der Hinterbeine sind entsprechend reduziert oder auch gar nicht mehr vorhanden.

Bei der Therapie steht die Behandlung des Schocks an erster Stelle.

Dazu bekommen die Katzen eine Infusionslösung, um das Herz-Kreislaufsystem zu stabilisieren und die Nierenfunktion aufrecht zu erhalten. Neben Sauerstoffgaben und Wärme wird auch eine adäquate Schmerztherapie benötigt. Oft werden sehr starke Schmerzmittel wie Opioide verwendet, denn die verhärtete Muskulatur erzeugt erhebliche Muskelschmerzen. Auch Laborwerte, wie z.B. die Nierenwerte und die Elektrolyte, müssen überwacht werden. Entsprechend der Laborwerte muss die Therapie angepasst werden. Eine Verletzung der Wirbelsäule kann ebenfalls vorkommen und muss gegebenenfalls über die Anfertigung von Röntgenaufnahmen ausgeschlossen werden.

Die Katzen bleiben zumeist einige Tage stationär und müssen intensiv überwacht werden, da nach der einsetzenden Reperfusion (Wiederdurchblutung des zuvor abgequetschten Gewebes) alle Stoffwechselprodukte plötzlich wieder in den Kreislauf kommen. Diese Stoffwechselprodukte können nach Stunden oder sogar erst nach einigen Tagen zum Tod des betroffenen Tieres führen. Erst wenn diese anfängliche kritische Phase überwunden ist, ist die Katze außer Lebensgefahr.

Eine Physiotherapie kann in der Heilungsphase die Katze wesentlich unterstützen. Die eingesetzten Techniken dienen der Regeneration der geschädigten Strukturen und dem Wiedererlangen eines ungestörten Gangbildes. Wird die anfängliche kritische Phase überlebt, haben die Katzen eine günstige Prognose. Allerdings bleiben bei einigen Katzen leichte Gangstörungen zurück. Umso wichtiger ist es, vor dem Verlassen der Wohnung alle Fenster zu schließen oder entsprechende Gitter an den Fenstern anzubringen, damit der Entdeckungsdrang der kleinen Tiger nicht zur tödlichen Falle werden kann!