Zunächst eine kurze Begriffserläuterung:

Geriatrie bedeutet: Altersmedizin bzw. Altersheilkunde, sie ist eine Bezeichnung für die Lehre von den Krankheiten des alternden Tieres oder auch Menschen

Das Vestibularorgan ist das Gleichgewichtsorgan, es sitzt im Innenohr. In ihm befinden sich Sensoren, die dem Gehirn Informationen übermitteln über die Lage und Bewegung des Kopfes im Raum, also zum Beispiel über eine Drehbewegungen des Kopfes. Mit diesen Informationen kann das Gehirn dann die entsprechenden Ausgleichsbewegungen der Gliedmaßen, des Kopfes und auch der Augen steuern, damit das Tier zum Beispiel nicht umfällt.

Syndrom bedeutet wiederum, dass bestimmte typische Symptome, also Krankheitsanzeichen, in Kombination (gleichzeitig) auftreten.

Die Kombination dieser Wörter ist also der medizinische Begriff für eine Erkrankung, die das Gleichgewichtsorgan beim alten Hund betrifft.

Symptome des ger. Vestibularsyndroms

Zumeist treten die typischen Symptome plötzlich, heftig und ohne erkennbaren Auslöser auf. In der Regel sind ältere Tiere betroffen. Die Tiere zeigen in unterschiedlicher Stärke und Kombination folgende Symptome:

– Kopfschiefhaltung

– Nystagmus, das ist eine schnelle zuckende Bewegung der Augen. Diese kann kreisförmig oder nur horizontal (linear) sein. Jeder kennt diese Bewegung, man sieht sie zum Beispiel, wenn ein Mensch während der Fahrt im Zug oder Auto seitlich aus dem Fenster schaut. Dann zucken die Augen auch oft horizontal. Nur bei der Fahrt macht diese Augenbewegung Sinn. Man fixiert dabei etwas in der Ferne, das dann aus dem Bild verschwindet und fixiert danach das nächste Ziel.

– schwankender Gang (Ataxie)

– Gleichgewichtstörungen von unterschiedlicher Stärke. Im Extremfall kommen die Tiere zum Festliegen und können gar nicht mehr aufstehen.

Die Symptome sind durch ihr plötzliches Auftreten und die Heftigkeit oft für den Besitzer extrem besorgniserregend. Dementsprechend sind die Besitzer auch sehr aufgeregt und beängstigt.

Diagnose

Erste Hinweise erhält der Tierarzt meist aufgrund des Alters und akuten Auftretens der Beschwerden.

Das Gleichgewichtsorgan lässt sich allerdings nicht ganz so einfach untersuchen. Deshalb geht man den Weg über eine Ausschlussdiagnostik. Dabei untersucht man das Tier und schließt alle anderen möglichen Ursachen für diese Symptome aus. Andere Ursachen wären zum Beispiel ein Trauma (Unfall), eine Entzündung im Mittel- oder Innenohr und in diesem Zusammenhang auch, ob irgendwelche Salben, Spül- oder Reinigungslösungen in den äußeren Gehörgang eingebracht wurden. Weitere, zum Glück eher seltene Ursachen sind auch gutartige oder bösartige Tumore.

Internistisch könnte auch eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) mit dem geriatrischen Vestibularsyndrom gekoppelt sein.

Deshalb spielt bei der Vorstellung in der Tierarztpraxis das Signalemente (also Alter/Rasse/Geschlecht) des Patienten eine wichtige Rolle, genauso wie die Erhebung eines genauen Vorberichtes (Anamnese). Liegen Hinweise auf eine Otitis (Ohrenentzündung) vor, wurden Medikamente verabreicht, wenn ja: welche, wann und wie lange schon etc.

Dann kann noch eine Blutuntersuchung angeschlossen werden, um die Funktion der Schilddrüse zu überprüfen und ggf. auch eine Untersuchung des Kopfes/Mittel- und Innenohres mittels CT oder MRT. Diese beiden letztgenannten Untersuchungen benötigt man zum Glück aber eher selten.

Therapie

Eine Grundursache für die Erkrankung ist bis heute nicht gefunden. Eine Störung des Lymphflusses im Innenohr oder aber auch ein immunologisches Geschehen werden als mögliche Auslöser vermutet. Würde man einen Auslöser kennen, könnte man gezielt therapieren, so richtet sich die Therapie auf eine symptomatische Behandlung. Es werden also alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Beschwerden zu lindern. Da eine Störung im Lymphfluss vermutet wird werden Kreislauf-stabilisierende Infusionstherapie gegeben, um den Lymphfluss zu verbessern. Eine weitere gute symptomatische Therapie besteht in der Gabe von Mitteln gegen Übelkeit (Antiemetika = Anti-Brechmittel). Dadurch, dass das Gleichgewichtsorgan verrückt spielt, ist den Tieren häufig schlecht. Sie fühlen sich quasi „seekrank“. Hier hilft das Antiemetikum und die Tiere hören auf zu Erbrechen und fangen im Idealfall auch wieder mit der Futteraufnahme an.

Manche Patienten sind aufgrund von Desorientiertheit und Schwindelgefühl sehr unruhig und profitieren von einer leichten Sedation mit Beruhigungsmitteln.

Auch eine ruhige Atmosphäre und ein leicht abgedunkelter Raum führen oft zu mehr Wohlbefinden, da das Gehirn weniger Reize verarbeiten muss.

Ab und zu müssen die alten Hunde auch intensiv gepflegt werden. Manche Hunde müssen von Hand zugefüttert werden, können nicht mehr Gassi gehen und lassen Urin und Kot unter sich. Da in solchen schwierigen Fällen der Tierbesitzer überfordert sein kann und die Tiere eh Infusionen benötigen, ist die Behandlung in den ersten Stunden oder auch Tagen stationär in der Praxis oder auch Klinik nötig.

Aber die gute Nachricht zum Schluss: Die meisten Hunde verbessern sich innerhalb der ersten 72 Stunden. Eine vollständige Heilung tritt nach 2-3 Wochen ein. Selten kann es auch bis zu 5 Wochen dauern. Teilweise bleibt eine leichte Kopfschiefhaltung zurück, was aber keine Einschränkung der Lebensqualität bedeutet.