Der Ikterus, mögliche Ursachen, und wie man überhaupt zur Diagnose kommen kann
Was genau ist das?
Der Ikterus (Gelbsucht) ist ein Symptom und beschreibt erst einmal nur eine Gelbfärbung der Haut, Schleimhäute, der Sklera („weiße Augenhaut“) am Auge aber auch der inneren Organe. Die Gelbfärbung entsteht durch eine Hyperbilirubinämie. Das bedeutet, dass der Gallenfarbstoff Bilirubin vermehrt im Blut vorkommt. Dessen Austritt aus dem Blut in die verschiedenen Körpergewebe führt dort zur Gelbfärbung. Am schnellsten sichtbar wird diese Verfärbung meistens an der weißen Augenhaut. Die Intensität der Gelbfärbung wird durch die Produktion von Bilirubin und dessen Ausscheidung bestimmt. Kommt dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht, entweder durch eine überschießende „Produktion“ oder durch eine verzögerte Ausscheidung, so färben sich die entsprechenden Organe gelb ein.
Wo also suchen, wenn das Tier gelb geworden ist? Dazu muss man erst einmal verstehen, wie der gelbe Farbstoff entsteht und wie er ausgeschieden wird. Hier eine kleine, vereinfachte aber hoffentlich gut verständliche Erklärung:
Bilirubin entsteht beim Abbau des roten Blutfarbstoffs (genannt Hämoglobin) aus den roten Blutzellen (Erythrozyten) und auch zu einem kleineren Anteil aus dem Abbau des Myoglobins, das in Muskelzellen vorkommt. Rote Blutkörperchen leben nicht unendlich lange, sondern werden regelmäßig ersetzt (Blutmauser). Beim Abbau des HÄM wird zum einen Eisen (Fe) abgespalten und anderweitig wiederverwendet und zum anderen entsteht Bilirubin. Bilirubin ist gelb. Zunächst ist es nicht wasserlöslich, sondern eher fettlöslich (lipophil). Um über das Blut transportiert werden zu können, wird es locker an ein körpereigenes Protein (Albumin) gebunden. Wenn es an Albumin gebunden wurde trägt es den Namen: unkonjugiertes Bilirubin (Synonym: indirektes Bilirubin) und gelangt über das Blut zur Leber, wo es über ein Transportsystem in die Leberzelle eingeschleust wird. Dort wird das ehemals fettlösliche (lipophil) Bilirubin umgebaut und ist danach sehr gut wasserlöslich (hydrophil). Das erleichtert im Anschluss dessen Ausscheidung! Ab hier heißt es dann: konjugiertes Bilirubin. Die weitere Ausscheidung erfolgt zum größten Teil über das Gallengangsystem, das wie lauter kleine Kanälchen zwischen den Leberzellen liegt. Über diese Kanälchen fließt das, nun ja wasserlösliche Bilirubin in die Gallenblase und wird dort gesammelt. Von der Gallenblase aus geht der Weg weiter über den Gallengang in den Darm. Hier gibt es bei der Katze eine Besonderheit, auf die wir später zurückkommen. Der Ausführungsgang der Gallenblase mündet nämlich zusammen mit dem Ausführungsgang des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) auf einer kleinen Papille (Papilla duodenalis) im Darm. Eine Papille sieht aus, wie eine kleine Erhebung. Im Darm angekommen wird das Bilirubin weiter umgebaut und am Ende entsteht das sogenannte Stercobilin. Dieses verleiht dem Kot seine bräunliche Farbe. Ein kleiner Anteil wird allerdings von im Darm befindlichen Bakterien wieder umgebaut und kommt zurück in die Leberzellen. Und sein Weg beginnt von vorne. Dieser Kreislauf nennt sich enterohepatischer Kreislauf.
Wie oben geschrieben läuft der größte Teil der Ausscheidung über die Achse: Blut-Leber-Galle-Darm, aber ein kleiner Teil des ja wasserlöslichen konjungierten Bilirubins nimmt den Weg über die Niere und wird dort ausgeschieden. Als in der Kurzform wäre es dann: Blut-Leber-Niere-Urin.
Und hier eine schöne, stark vereinfachte Grafik dazu:
Und wozu jetzt diese ganze Abhandlung?
Nun, es erklärt ganz gut weshalb man bei einem gelb leuchtenden Tier nicht so einfach sagen kann, wo das Problem liegt. Dafür gibt es nämlich einige Möglichkeiten. Zunächst wir nach dem Ort der Entstehung gesucht: vor, in oder nach der Leber.
Prähepatischer Ikterus (VOR der Leber)
Dieser entsteht bei Punkt 1 unserer Grafik. Also, wenn übermäßig viel roter Blutfarbstoff anfällt. Das kann in Rahmen einer Hämolyse (Zerstörung) der roten Blutzellen auftreten. Dafür gibt es wiederum etliche Möglichkeiten. Hierzu zählen zum Beispiel Autoimmunerkrankungen, bei denen das körpereigene Immunsystem die roten Blutzellen angreift und zerstört, genauso wie Vergiftungen aber auch Parasiten oder starke Blutungen in Körperhöhlen bzw. Hämatome (blaue Flecken). Bei einer massiven Zerstörung von Muskelzellen im Rahmen eines Traumas und/oder einer Entzündung der Muskulatur (Myositis) kann es ebenfalls zu einem prähepatischen Ikterus kommen.
Oder
Intrahepatischer Ikterus, oder auch nur hepatischer Ikterus (In der Leber)
Hier liegt die Störung innerhalb der Leber, also bei Punkt 2 unserer Grafik. Dies kann bei Leberzirrosen oder -fibrosen auftreten, bei Tumoren innerhalb der Leber oder bei der gefürchteten Hepatolipidose der Katze. Hier lagert die Leber während einer Hungerperiode (katabole Phase) vermehrt Fett ein. Dieses Fett kann dann zum Funktionsverlust der Leberzellen führen. Aber auch schwerwiegende Entzündungen die beispielsweise im Rahmen einer Sepsis (Blutvergiftung) auftreten führen unter Umständen zu einem hepatischen Ikterus. Die bis vor kurzem noch unheilbare FIP (feline infektiöse Peritonitis) löst ebenfalls einen Ikterus aus, der in der Leber seinen Ursprung hat.
Oder
Posthepatisch (Nach der Leber)
Punkt der der Grafik. Hierbei spielt alles eine Rolle, was zu einer Abflussstörung der Galle führen kann. Zum einen eine Zerstörung (Ruptur) der Galle oder ihres Ganges, aber auch Entzündungen, die zu einer Behinderung im Abfluss führen. Dies gilt auch für Tumore, oder Steine, die den Abfluss verschließen. Und nun kommt noch eine Möglichkeit, die häufiger bei der Katze anzutreffen ist, da bei ihr (wie eingangs beschrieben) der Ausführungsgang der Gallenblase und der Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse auf derselben Papille im Darm münden. Deshalb kann eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse und ein damit verbundenes anschwellen der Papille ebenfalls zu einem posthepatischen Ikterus führen.
Viele Möglichkeiten für ein Symptom! Deshalb ist die korrekte Diagnose auch so wichtig. Ein Tumor wird schließlich komplett anders behandelt wie zum Beispiel eine parasitäre Erkrankung, oder eine Vergiftung. Die Prognose kann, je nach Ursache, komplett anders ausfallen, von unheilbar bis günstig. Oft braucht man jedoch einige, zum Teil auch kostenintensive Untersuchungen, um den Verursacher zu finden! Aber es lohnt sich der Sache genauer auf den Grund zu gehen.