Zahnerkrankungen sind leider sehr häufig beim Kaninchen und mit 15-25% auch einer der häufigsten Vorstellungsgründe in der Tierarztpraxis. Oft sind sie leider durch eine falsche Fütterung entstanden. Aber warum ist das so? Nun, beim Kaninchen wachsen sowohl die Backen-, wie auch die Schneidezähne ein Leben lang. Durch den Kauvorgang müssen die Zähne kontinuierlich abgerieben werden. Wachstum und Abrieb müssen immer im Gleichgewicht sein! Kommt dieses System aus dem Gleichgewicht, dann wird das Kaninchen sein ganzes restliche Leben darunter leiden müssen.
So sollte es aussehen, wenn alles passt! Die Zahnformel beim Kaninchen kurz erklärt:
Insgesamt haben Kaninchen je einen gut sichtbaren Schneidezahn (I1) pro Seite sowohl im Oberkiefer, als auch im Unterkiefer. Die typischen Hasenzähnchen, die auch auf jedem Comicbild zu sehen sind. Im Oberkiefer direkt hinter den gut sichtbaren Schneidezähnen befindet sich jeweils noch ein kleinerer Stiftzahn (I2). Dann kommt eine breitere Lücke, das sogenannte Diastema („Zwischenraum“) daran anschließend die Backenzähne. Davon gibt es drei Prämolare (also schon mit einem Vorgänger im Milchzahngebiss vorhanden) und 2 Molare. Die sind erst im bleibenden Gebiss vorhanden. Insgesamt kommt das Kaninchen so auf 28 Zähne. Und der Wechsel vom Milchzahngebiss zum bleibenden ist schon in der dritten Lebenswoche abgeschlossen.
Aber warum leiden Kaninchen an Zahnerkrankungen? Und warum gleich so lange?
Die Zähne wachsen kontinuierlich nach, und zwar in einer relativ hohen Geschwindigkeit von 2-3mm pro Woche. Wird nun diese nachwachsende Länge nicht in der gleichen Geschwindigkeit verbraucht muss der Zahn zu lang werden. Wohin nun damit? Durch die sich ändernden Druckverhältnissen kippen die Zähne ab. Das geschieht mehr oder weniger immer in der gleichen Art und Weise. Die Unterkieferschneidezähne kippen nach vorne. Sie wachsen dann ähnlich wie Stoßzähne beim Elefanten nach vorne raus. Im Gegenzug rollen sich die oberen Schneidezähne ein. Das wiederum ist leider nicht sofort für den Besitzer zu sehen, aber wesentlich schmerzhafter für das Kaninchen. Die Zähne wachsen und wachsen, ungehindert irgendwelcher Hindernisse. So schieben sie sich am Ende sogar durch den Oberkiefer in die Nase. Die Backenzähne wiederum kippen im Unterkieferbereich nach innen und wachsen dann aufeinander zu. Im Extremfall bilden sie eine Brücke über der Zunge, oder wachsen in die Zunge ein. Im Oberkiefer wachsen sie nach außen und spießen in die Schleimhaut der Oberkieferbacken ein. Egal, wer dabei nun wohin wächst, alles ist mit Schmerzen und/oder Funktionsverlust verbunden
Diese zu langen Zähne müssen immer wieder korrigiert werden. Die entstandene Fehlstellung kann leider nicht mehr behoben werden. Man bekommt die Zähne nicht mehr zurück in die ursprüngliche anatomisch korrekte Lage! So wie sie nun aber stehen kommen die Kauflächen nicht in Berührung und das ungehinderte Längenwachstum geht weiter. Ein Teufelskreis!
Erschwerend kommt hinzu, dass Kaninchen noch relativ nah am Wildtier sind und deshalb schauspielern. So werden Schmerzen leider oft erst spät entdeckt und die Tiere leiden sehr lange, ein weiteres Problem. Wildtiere, die in der freien Natur offensichtlich zeigen, dass sie krank sind, würden als erstes gefressen werden. Deshalb versuchen sie lange den „Schein“ zu wahren. Sie kommen bei jeder Fütterung angehoppelt und tun zumindest so, wie wenn sie fressen würden.
Welche Symptome kann man als Besitzer dann aber erkennen? Und was kann man besser machen, damit es erst gar nicht dazu kommt?
Die Symptome sind leider sehr vielfertig:
- Gewichtsverlust
- Durchfall (durch mangelhafte Zerkleinerung der Nahrung)
- Kleinere Kotballen
- Sichtbare, nach vorne vorstehende Unterkiefer Schneidezähne
- Speicheln, damit verbunden eventuell auch verklebte Vorderpfoten, da sich die Kaninchen vermehrt im Gesicht putzen)
- Schiefe, schräg abgeschliffene Schneidezähne
- Koliken (Bauchschmerzen) mit Tympanie (Aufgasung)
- Beidseitig, oder einseitig hervorstehendes Auge
- Verlegter Tränen-Nasenkanal und dadurch Augenausfluß
- Eitriger Nasenausfluß, teilweise auch nur einseitig
- Schwellungen im Bereich des Ober- oder/und Unterkiefers
- Appetitlosigkeit
- Das Kaninchen zieht sich zurück, sondert sich von der Gruppe ab
- Bewegungsunlust/Inaktivität
- Verklebtes Fell an den Vorderbeinen