In einem vorangegangenem Blog Beitrag haben wir schon erläutert, warum es so häufig zu Frakturen am Reißzahn im Oberkiefer des Hundes kommt. Hier der Link zu diesem Beitrag:

Zahnfraktur am Reißzahn

Nun gehen wir darauf ein, wie entschieden werden kann, ob so ein Zahn bleiben kann, also noch zu retten ist, oder ob er extrahiert werden muss. Nicht immer eine ganz einfache Aufgabe für alle Beteiligten. Unstrittig ist es, wenn der Hund wegen einem schmerzhaften Abszess unter dem Auge vorgestellt wird, gleichzeitig eine Fraktur am darunterliegenden Reißzahn (P4) aufweist und sich dazu auch noch eine Fistelöffnung am Zahn entdecken lässt, aus der sich Eiter entleert.

Sind die Veränderungen allerdings dezenter, es fehlt zum Beispiel nur die Spitze des Zahnes, dann ist die oben gestellte Frage ohne Narkose, einer Sondierung des Zahns in Narkose und einer Röntgenaufnahme der Zahnwurzel gar nicht zu beantworten. Dafür muss man die Anatomie des jeweiligen Zahnes kenne. Ist er zum Beispiel einwurzlig, oder mehrwurzlig und wie sieht seine Struktur überhaupt im Normalzustand aus.

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Außerdem spielt auch das Alter des Hundes eine Rolle. Denn die Dentinschicht (Zahnbein) (in den Zeichnungen in blau dargestellt) wird mit zunehmendem Alter des Hundes immer dicker und die Pulpahöhle dementsprechend kleiner. Diese Tatsache kann sogar bis zu einem gewissen Grad zur Altersbestimmung herangezogen werden. (Zahnalterbestimmung nach Korthäuer)

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Die entsprechenden Röntgenbilder dazu könnt Ihr euch unter diesem Link ansehen

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Eine Fraktur lediglich der Spitze des Reißzahns bei einem jungen Hund, kann dazu führen, dass die Pulpahöhle, die Höhle im Zahn, in der sich die Blutgefäße und der Nerv befindet, eröffnet wird. Eine Fraktur an exakt der gleichen Stelle bei einem älteren Hund, kann aber unproblematischer sein, da die Pulpahöhle aufgrund der mittlerweile dickeren Dentinschicht gar nicht erst eröffnet ist.

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Wie wird nun also vorgegangen:

Soweit möglich erfolgt zunächst eine Untersuchung der Maulhöhle im Wachzustand des Patienten. Aber zu einer gründlichen Untersuchung gehört auch eine Sondierung. Und spätestens an diesem Punkt ist die Kooperationsbereitschaft auch beim liebsten Hund vorbei. Was passiert da genau? Es wird mit einer Sonde die Taschentiefe gemessen, also wie tief kommt man mit einem leichten Druck, ohne Gewalt in den Spalt zwischen dem Zahn und dem Zahnfleisch.

Es wird zusätzlich darauf geachtet, ob spontane Blutungen auftreten, oder man mit einer Sonde die Furkation tasten kann. Die Furkation bezeichnet die Gabelung bei einem mehrwurzligen Zahn, also die Stelle, wo sich die Zahnkrone in die Wurzeln aufteilt. Bei einem Furkationsbefund kann man unter Umständen die sogar die Sonde von außen bis auf die Innenseite der Maulhöhle durchschieben.

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Dann wird mit einer Sonde auch die Oberfläche des Zahns nach Frakturen abgetastet. So kann man auch zum Teil feststellen, ob man mit der Sonde problemlos in die Pulpahöhle gelangt, diese somit eröffnet ist.

Der Hund muss also in Narkose gelegt werden. Die Narkose ist noch aus einem anderen Grund sinnvoll. Das Röntgen der Wurzeln ist ebenfalls nur in Narkose möglich. Der Hund bekommt dafür, genau wie wir beim Humankollegen, den Röntgenfilm ins Maul geschoben. Bei der Aufnahme darf er natürlich nicht wackeln, kauen oder auf den Film beißen. Gerade letzteres kann, je nach verwendeter Technik, ziemlich teuer werden. Bewegungen während der Aufnahme führen dazu, dass das geschossene Bild nicht auswertbar, also unbrauchbar ist. Es müsste also wieder und wieder versucht werden das Bild hinzubekommen. Bei den nötigen Röntgenaufnahmen entstehen so nicht einfach nur Mehrkosten, sondern die gesamte Untersuchung würde wesentlich länger dauern und würden, sofern es überhaupt am wachen Tier machbar wäre, zu einer unnötigen Strahlenbelastung des Tieres und auch des Praxispersonals führen. Abgesehen davon, dass kein Tier stillhalten würde!

Fazit: Es ist nicht nur nicht praktikabel, es ist schlicht unmöglich eine Röntgenuntersuchung der Zähne am wachen Tier durchzuführen!

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Zusammenfassend lässt sich feststellen:

Wir haben zur Adspektion (bedeutet in der Medizin: optische Überprüfung im Rahmen der Untersuchung) noch zwei weiterführende Untersuchungen. Die Sondierung und die Röntgenaufnahme. Außerdem sollte noch bekannt sein, wie lange die Fraktur schon vorliegt. Bei frischen Frakturen (bis maximal vor 48 Std) kann unter Umständen eine Vitalamputation mit anschließender Überkronung durchgeführt werden und der Zahn somit am Leben (vital) erhalten werden.

Auf Grundlage der erhobenen Befunde wird zusammen mit dem Tierbesitzer entschieden, ob ein Zahn bleiben darf, evtl. gefüllt werden kann oder ganz raus muss. Einfachheitshalber wird eine Behandlung oder Extraktion noch in der gleichen Narkose durchgeführt. So erspart man dem Hund zwei Narkosen kurz hintereinander.

Wait and see ist keine Option! Frakturierte Zähne benötigen immer eine genau Untersuchung und die entsprechende Behandlung.

Und keine Angst vor der Narkose. Diese sind mittlerweile sehr gut steuerbar und gut verträglich. Auch hierfür gibt es Richtlinien

Leitlinien Anästhesie Tiermedizin